Trotz globaler Klima- und Hungerkrise: Afrika arbeitet an zukünftiger Lebensmittelsicherheit für den Kontinent

21 Sep 2022

Foto: Axel Fassio / CIFOR

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Bonn, Deutschland (15. September 2022): Die Menschheit ist mit einem Klimanotstand konfrontiert, der Afrika stärker betrifft als alle anderen Regionen – und dies, obwohl der Kontinent nur für 4 % des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich ist. Der Krieg in der Ukraine führt zu einem dramatischen Anstieg der Lebensmittel- und Kraftstoffpreise. Entsprechend schwieriger ist es für afrikanische Länder, ihre Bürger mit Lebensmitteln aus Importen zu versorgen. Doch diese Krise könnte für Afrika auch die Chance sein, seine Nahrungsmittelversorgung radikal auf eine neue Grundlage zu stellen, so Experten auf der Digitalen GLF Konferenz Afrika 2022 .

Dem Kontinent stehen bereits jetzt eine Vielzahl von Lösungen zur Verfügung, um seine Ernährungssouveränität zurückzuerlangen. Doch diese Lösungen müssen weiter ausgebaut werden. Über 200 Redner forderten Investitionen in Klima und Biodiversität, eine gerechte Landverteilung sowie kürzere und umweltfreundlichere Wertschöpfungsketten. Ein solcher Wandel stärkt nicht nur lokale Gemeinschaften und Ökosysteme, sondern federt auch die Auswirkungen des Klimawandels ab.

„Nie zuvor waren wir mit so vielen zeitgleichen Krisen auf globaler Ebene konfrontiert wie heute. Heute müssen wir nicht nur eine der größten globalen Nahrungsmittelkrisen aller Zeiten bewältigen, sondern auch unsere Produktions- und Versorgungssysteme für die Zukunft krisenfest machen. Lassen Sie uns dies als Chance begreifen,“ sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Deutschland hat derzeit die G7-Präsidentschaft inne.

„Die junge Generation Afrikas ist aufgewacht und wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ein Afrika im Wohlstand zu errichten. Dazu müssen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs Investitionen in den Agrarsektor aktiv fördern. Schließlich bietet die Landwirtschaft den coolsten Arbeitsplatz der Welt. Die afrikanische Agrarwirtschaft wird bis 2030 eine Wertschöpfung von 1 Billion Dollar erzielen. Alle müssen essen,“ sagte Ineza Grace, Koordinatorin bei Loss and Damage Youth Coalition.

Die in Zusammenarbeit mit dem BMZ und weiteren Partnern am 15. September 2022 veranstaltete Online-Konferenz des Global Landscapes Forum verzeichnete mehr als 8.300 registrierte Teilnehmer aus 122 Ländern, darunter Unternehmer, Wissenschaftler, Jugendaktivisten, Restaurierungsfachleute und höchste Regierungsvertreter. Darüber hinaus erreichte die Konferenz über die sozialen Medien mehr als 26 Millionen Menschen.

In 31 Sitzungen, fünf veröffentlichten Weißbüchern, publizistischen Neuvorstellungen, einer virtuellen Tour, einer Job Messe sowie kunsthandwerklichen Ausstellungen und künstlerischen Aufführungen bot die Konferenz im Vorfeld der UN-Klimakonferenz COP27 in Sharm El Sheikh, Ägypten, wichtige Impulse für den Aufbau einer robusten Nahrungsmittelversorgung in der Zukunft.

Zu den wichtigsten Empfehlungen der Experten und Expertinnen aus ganz Afrika gehören:

  • Afrika ist mit reichen und vielfältigen Ökosystemen ausgestattet. Sie bilden die Grundlage für die gesicherte Versorgung des Kontinents mit Nahrungsmitteln, Wasser und Energie und die Existenzgrundlage seiner Menschen. In den ländlichen Gebieten des Kontinents sind mehr als 62 % der Bevölkerung direkt von Leistungen aus diesen Bereichen abhängig. Daher müssen die biologische Vielfalt und ihr Wert in wirtschaftliche und finanzielle Entscheidungsfindungen einbezogen werden.
  • Für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Flächen muss den Menschen unabhängig von Geschlecht und Alter Zugang zu eigenem Land und der Ressourcen des Kontinents gewährt werden.
  • Junge Menschen spielen bei der Gestaltung der zukünftigen Ernährungssicherheit des Kontinents die entscheidende Rolle, doch eine auf junge Menschen ausgerichtete Politik ist in den meisten Entwicklungsprogrammen für die afrikanische Landwirtschaft nicht zu finden.
  • Zwar wird die Nahrungsmittelversorgung Afrikas zu 70 % durch Kleinbauern sichergestellt, jedoch sehen sich diese mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, wie z.B. schlechter Zugang zu den Märkten, Untätigkeit der Politik sowie mangelhafte technische Ausrüstung und entsprechend mangelhafte Produktivität und Rentabilität. Hier können nachhaltige Finanz- und Entwicklungskonzepte zu entscheidenden Veränderungen führen: effektivere und auf afrikanische Nahrungssysteme ausgerichtete Landwirtschaft, grüne Arbeitsplätze und Wertschöpfungsketten für Erzeugnisse wie Kakao, Soja, Palmöl, Obst und Gemüse. Solche Konzepte sollten sich gleichzeitig positiv auf den Klimawandel, die biologische Vielfalt, die Wassernutzung, die ländliche Armut sowie auf die noch bestehende Ungleichheit der Geschlechter auswirken.
  • Als ein vom Klimawandel am stärksten betroffener Kontinent erhält Afrika derzeit lediglich 3 % der globalen Finanzmittel für den Kampf gegen die Klimakatastrophe. Die Finanzierungslücke für kleine und mittlere landwirtschaftliche Unternehmen wird in Subsahara-Afrika auf über 100 Mrd. USD pro Jahr geschätzt. Bis 2030 wird Afrika über 3 Billionen USD an Klimafinanzierung benötigen, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Die Plenarsitzung wurde von FOLUR (Food Systems, Land Use and Restoration) durchgeführt, einer GEF-finanzierten Initiative zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks in der Landwirtschaft mittels 27 Länderprojekte. Diese sind auf Produktionslandschaften für acht wichtige landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgerichtet: Kakao, Kaffee, Mais, Viehzucht, Palmöl, Reis, Soja und Weizen. In der Plenarsitzung wurden die kürzlich in Angriff genommenen FOLUR-Projekte in Elfenbeinküste und Ghana, den weltweit größten Kakaoexporteuren, vorgestellt und Lehren und Möglichkeiten für grüne Wertschöpfungsketten aufgezeigt, die keinerlei Abholzungs- und Entwaldungsmaßnahmen beinhalten.

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HINWEISE FÜR REDAKTEURE

  • Unten finden Sie eine Liste mit ausgewählten Zitaten aus den verschiedenen Sitzungen der Konferenz GLF Afrika 2022.
  • Hier finden Sie eine Auswahl an Bildern, weiteres Bildmaterial in diesem SM Paket und weiteres Informationsmaterial im GLF Afrika Nachrichtenredaktion.
  • Für weitere Informationen oder Interviews mit den Referenten wenden Sie sich bitte an Christine Wangalachi unter wangalachi@cgiar.org

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Über das GLF

Das Global Landscapes Forum (GLF) ist die weltweit größte wissensbasierte Vereinigung für integrierte Landnutzung, die sich für die Umsetzung der Ziele zur nachhaltigen Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens einsetzt. Das Forum verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zur Schaffung nachhaltig genutzter Landschaften, die produktiv, wohlhabend, gerecht und widerstandsfähig sind. Seine fünf Themen umfassen Ernährung, Existenzgrundlagen, die Wiederherstellung von Landschaften, Rechte, Finanzierungskonzepte und Fortschrittsmessung. Das Forum wird vom Zentrum für Internationale Forstforschung – Weltzentrum für Agroforstwirtschaft (CIFOR-ICRAF) in Zusammenarbeit mit den Mitgründern UNEP und Weltbank sowie seiner Gründerorganisation geleitet. Diese digitale Konferenz wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUV), der Regierung des Großherzogtums Luxemburg, FOLUR, der Initiative für Food Systems, Land Use and Restoration, der GEF (Global Environment Facility)  und der Robert Bosch Stiftung.

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CITATIONS EXTRAITES DE LA CONFÉRENCE  

Nie zuvor waren wir mit so vielen zeitgleichen Krisen auf globaler Ebene konfrontiert wie es heute der Fall ist. Heute müssen wir nicht nur eine der größten globalen Nahrungsmittelkrisen aller Zeiten bewältigen sondern auch unsere Produktions- und Versorgungssysteme für die Zukunft krisenfest machen. Betrachten wir dies als Chance.

Die junge Generation Afrikas ist aufgewacht und wir sind entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um ein Afrika im Wohlstand zu errichten. Dazu müssen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs Investitionen in den Agrarsektor aktiv fördern. Schließlich bietet die Landwirtschaft den coolsten Arbeitsplatz der Welt. Die afrikanische Agrarwirtschaft wird bis 2030 eine Wertschöpfung von 1 Billion Dollar erzielen. Alle müssen essen.

Es ist nicht so, dass dies von externen Akteuren gefordert wird. Vielmehr ist es so, dass wir von dieser Strategie überzeugt sind. Wenn wir nur reagieren, werden wir wahrscheinlich immer wieder Ähnliches erleben. Aber wenn wir proaktiv werden, können wir durchaus zu Vorreitern für neue Lebensmittelsysteme werden.

Wir müssen die Nutzung wild lebender Arten für unsere Ernährung steuern und dabei alle Möglichkeiten in Betracht ziehen – von der reinen Erhaltung dieser Spezies über ihre nachhaltige Nutzung bis hin zur Domestizierung. Wir können Menschen, die auf Wildfleisch als Hauptproteinquelle angewiesen sind, nicht einfach sagen, dass sie kein Fleisch mehr essen sollen, ohne ihnen erschwingliche und gesunde Alternativen zu bieten.

Es gibt ein Narrativ, das wir ändern können. Afrika ist kein Land: es ist ein Kontinent. Afrika wird nicht durch Armut definiert - Afrika ist reich. Afrika ist voller Geschichten. Afrika ist voller Vielfalt. Es ist voller junger Herzen, voller Kultur, voller Innovation und voller neuer Ideen. Wenn wir uns Lösungen wünschen, die sich an der Natur orientieren; wenn wir innovative Beiträge sowohl in der Wissenschaft als auch im Naturschutz sehen wollen, dann ist Afrika der beste Ort, um sich das anzusehen. Und wir müssen uns ständig daran erinnern und vom Rest der Welt fordern, Afrika nicht unter dem Gesichtspunkt Armut zu definieren. Denn das ist nicht was wir sind. Afrika ist reich an biologischer Vielfalt – von den Ozeanen über das Land bis hin zu unseren Menschen.

"Der Schutz des afrikanischen Klimas ist der Schlüssel zur Bewältigung von Armut und Ernährungskrisen."
"Kleinbauern produzieren zwar die Lebensmittel, aber sie gehen hungrig zu Bett."
"Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz zur Bewältigung zukünftiger Krisen, welche die Menschheit bedrohen."

"Wenn wir an Anpassung denken, denken wir vielleicht zuerst an die Verringerung von Versorgungsrisiken oder die Vermeidung von Wasserknappheit. Aber tatsächlich lernen wir, dass die Stärkung der Gesundheitssysteme die Auswirkungen von Infektionskrankheiten, Hitzestress und anderen klimabedingten Risiken sowie Traumata durch extreme Hitze verringern kann.“
"Der Anpassung sind Grenzen gesetzt. Die Anpassung kann nicht alle Verluste und Schäden verhindern. Und selbst bei einer wirksamen Anpassung werden wir bei einer stärkeren Erwärmung an Grenzen kommen.“

In meiner Kultur sind die Bäume heilig. Auf diesem Konzept können wir aufbauen für den Erhalt der Artenvielfalt. Unsere Kulturen haben bereits die Lösungen.

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